Geschmackswandel in der Residenzstadt Dessau
Als Leopold Friedrich Franz 1740 geboren wurde, wuchs er am anhaltischen Hof in einer barocken Welt auf. Sein Großvater, der Alte Dessauer, sein Vater Leopold Maximilian, seine Onkel und Tanten ließen sich traditionell im barocken Repräsentationsbild porträtieren. In seiner Kindheit wurde das Residenzschloss spätbarock umgebaut. Die Onkel Fürst Dietrich, Fürst Moritz und Fürst Eugen bauten sich entsprechende Stadtpalais und Prinzessin Anna Wilhelmine sozusagen als letztes in der Kette der Bauwerke das Rokokoschloss in Mosigkau. Diesen barock geprägten Hof wandelte der junge Fürst nach seinem Regierungsantritt 1758. Sein künstlerisches Naturell ließ ihn zu neuen künstlerischen Formen greifen, die er mit Hilfe Erdmannsdorffs und seinen eigenen Erfahrungen auf den Reisen vor allem durch England und Italien gesammelt hatte. Der Einzug des Klassizismus in Dessau reichte bis in die Möbelkunst. Gerade
auf diesem Feld war das schwierig, denn die in der Regel zünftisch organisierten Tischler hielten streng bis zum Jahrhundertende an den überkommenen barocken Traditionen fest. Ein Dessauer Schreibschrank aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts belegt das. Leopold Friedrich Franz hat deshalb häufig bei Friedrich Gottlob Hoffmann in Leipzig arbeiten lassen, der sich vom Zunftzwang befreien konnte und Möbel produzierte, die dem neuen Trend des Klassizismus entsprachen. Die Gegenüberstellung von beiden Möbeltypen sowie der Vergleich der alten askanischen Familienportäts mit dem Bildnis des Erbprinzen und seiner Familie von Johann August Tischbein zeigt den geradezu revolutionären Wandel, der sich in der Regierungszeit des Fürsten Leopold Friedrich Franz vollzog und der von ihm voran getrieben wurde. Stadt, Land, Schloss, Bildnis bis hin zum Möbelstück bekamen ein neues Angesicht.